Wer bin ich? Was ist die Welt? Was ist Sinn?

Kategorie: Erkenntnistheorie

Mein Gespräch bei Thanatos TV

Im August 2022 sprach ich mit Jennifer Nejo für Thanatos TV zu meiner philosophischen Arbeit. Die Hauptthemen des Gesprächs waren das Ich, der ontologische Status von Sinn (Ist Sinn real?) sowie die Realität von Nahtod- und anderen spirituellen Erfahrungen. Zu der Zusammenarbeit kam es, weil ich 2020 den Gründer und Betreiber von Thanatos TV, Werner Huemer, im Zuge der Recherche für meine Bachelorarbeit kontaktiert hatte. Er bat mich, ihm meine fertige Bachelorarbeit zuzusenden. Nachdem er sie gelesen hatte, fragte er mich, ob ich mir vorstellen könnte, ihm ein Interview dazu zu geben. Ich verneinte dies zunächst, weil ich mich noch nicht firm genug in meiner eigenen Position fühlte, aber wir verblieben so, dass ich mich melden würde, wenn es so weit sei. Er vermittelte mir 2021 auch den Kontakt zu Jennifer Nejo, mit der mich seitdem ein wunderbarer, außergewöhnlich inspirierender Austausch verbindet. 2022 schließlich, als die erste Fassung meines Essays und damit meine philosophische Position auf ausreichend stabilen Beinen für eine öffentliche Präsentation stand, war es so weit und wir verabredeten uns für ein Gespräch im Thanatos TV Studio. Das Ergebnis sehen Sie hier.

Es war sowohl mein erstes Interview zu meiner Arbeit als auch vor der Kamera und ich war reichlich aufgeregt, daher finden sich in dem, was ich sage, zwei Flüchtigkeitsfehler. Nobody’s perfect, es ist nur blöderweise so, dass sie den Sinn des Gemeinten ad absurdum führen. Deswegen möchte ich hier die entsprechenden Aussagen richtigstellen.

  1. Ich spreche bei Minute 11 darüber, dass ein verschränktes Teilchen sich in einer 14 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie befinden kann, „kurz nach Beginn des Urknalls, kurz nach Stattfinden des Urknalls lokalisiert“ und das ist schlicht in der Aufregung durcheinander geratener Nonsens. Woran ich da gedacht habe und was ich da reingemischt habe, war, dass das älteste Licht, was uns erreichen kann, vor 14 Milliarden Lichtjahren gestartet ist, eben kurz nach Beginn des Urknalls, und dass die Objekte, von denen dieses Licht ausgeht, die am weitesten entfernten Objekte sind, die wir beobachten können. Aber in meinem Argument soll ja das verschränkte Partnerteilchen genau im selben Moment in einer 14 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie sein, weil ich darauf hinaus will, dass trotzdem in genau demselben Moment, wo der Spin des einen Teilchens auf der Erde klar wird, der Spin des 14 Milliarden Lichtjahre entfernten Teilchens ebenso feststeht. Nur sagen tue ich das leider nicht, sondern ich sage es so, als wäre das andere Teilchen auch 14 Milliarden Jahre entfernt, also als läge es in der Vergangenheit. Dabei geht der springende Punkt der Sache verloren.
  2. In Minute 17 sage ich in Bezug auf die Aussagen „eins plus eins ist zwei“ und „eins plus eins ist drei“, die ich Frau Nejo und mir in den Mund lege: „Sie hätten nichts anderes sagen können als ich.“ Das Wörtchen „als“ ist falsch und irreführend, richtig wäre: „Sie hätten nichts anderes sagen können und ich auch nicht – denn wäre ein Determinismus der Fall, hätten weder Sie noch ich die denkerische oder erkenntnismäßige Freiheit gehabt, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, weil jedes Glied in dieser Ereigniskette mit logischer Notwendigkeit so und nur so ablaufen könnte.“

So, nun, da dies klargestellt ist, wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Anschauen!

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Res cogitans: Ist phänomenales Erleben ausgedehnt?

Dieser Text schließt an den Beitrag „Res extensa: Wissen wir wirklich, was Ausdehnung ist?“ an und ist – mit dem Format entsprechenden Abwandlungen – ein Auszug aus meinem Buch „Phänometrie. Ist Bewusstsein mathematisch greifbar?

Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, warum ich glaube, dass das phänomenale Erleben auch als irgendwie dem Modus „ausgedehnt“ angehörig gesehen werden kann: Auch wenn das phänomenale Erleben selbst nicht sinnvoll in physikalischen Größen wie Größe, Masse, Ladung etc. erfasst werden kann, so bezieht es sich doch unmittelbar oder mittelbar auf etwas, das diese Dimensionen besitzt und/oder auf die Inhalte phänomenalen Erlebens eines anderen Subjekts. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Mein Erleben des Tisches vor mir ist nicht 80 Zentimeter breit, 40 Zentimeter tief und 60 Zentimeter hoch, wiegt nicht 5 Kilogramm und besteht nicht aus Holz, aber ich erlebe genau diese Attribute des Tisches ebenso wie seine Farbe, Haptik und andere sinnlich wahrnehmbare Eigenschaften. Allein deswegen bekommt mein Erleben schon relationalen Charakter, und zwar einen, der unmittelbar mit den physischen Eigenschaften des erlebten Objekts korreliert.* Mein Erlebnisraum und der physische Raum sind direkt aufeinander bezogen. Zumindest gehen wir davon aus, dass dem so ist, da wir sonst nicht sinnvoll sowohl empirische als auch theoretische Wissenschaft betreiben könnten. Diese basiert auf der Grundannahme, dass wir a) unseren Sinnesdaten insofern vertrauen können, als dass sie uns einen Eindruck zu vermitteln vermögen, der in irgendeiner Weise mit der Wirklichkeit korreliert und b) sich unsere Theorien sinnvoll auf diese anwenden lassen. Freilich will ich hier keinem naiven erkenntnistheoretischen Realismus das Wort reden, der annimmt, dass unsere Sinnesdaten uns immer wahre Eindrücke über die Wirklichkeit vermitteln und dass alles, was wir wahrnehmen, ein wahres Abbild der Wirklich-keit ist, aber derlei erkenntnistheoretische Fragen möchte ich in Kapitel 2 etwas näher beleuchten. Vorerst möchte ich es dabei belassen, worauf sich wohl sowohl erkenntnistheoretische Konstruk-tivistinnen als auch Realistinnen einigen können, weil diese Annahme Voraussetzung dafür ist, Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit als sinnvoll und gültig anerkennen zu können: Es gibt irgendeine Art von Korrelation zwischen Sinnesdaten und Wirklichkeit.
Eine Relationalität tritt auch beim Erleben der eigenen Gedanken und Gefühle auf, sowie beim Erleben der mitgeteilten oder mitgefühlten Gedanken und Gefühle einer anderen Person. Zum einen korrelieren die eigenen Gedanken und Gefühle immer auch mit körperlichen, also physikalischen Zuständen, z.B. des Gehirns, des Nervensystems, des Kreislaufs etc. (auch dieser These werden Konstruktivistinnen wie Realistinnen zustimmen), zum anderen beziehen sich Gedanken und Gefühle immer auf etwas oder auf jemanden, der diese Gedanken und Gefühle auslöst. Selbst wenn es nur Gedanken oder andere Gefühle, also reine Qualia waren, die das jetzige Gefühl auslösen, so beziehen sich diese Gefühle aufeinander, haben eine Relation zueinander; ergo können auch Qualia relativ sein. Ich glaube, dass es weiterführend sein könnte, genau aus diesen Gründen phänomenales Erleben als ausgedehnt zu betrachten – als eine Art „Erlebnisraum“, treffender noch eine „Erlebnis-raumzeit“: Phänomenales Erleben spielt sich immer in der Zeit ab, hat wechselnde Inhalte, ist immer ein Prozess, stellt immer eine Entwicklung dar. Das hat phänomenales Erleben mit dem physischen Aspekt der Wirklichkeit gemeinsam, der einen ebenso essentiellen temporalen und prozessualen Charakter aufweist.
Philip Goff wies im oben genannten Zitat darauf hin, dass es nötig sei, eine Instantiierungsebene für die physische Welt zu finden, deren kausale Struktur durch die Mathematik beschrieben werde. Bis hierhin dürfte deutlich geworden sein, dass wir mit dem phänomenalen Erleben an sich meines Erachtens nicht die gesuchte absolute Instanz gefunden haben, die eine geeignete Instantiierungs-ebene für die physische Welt ist. Viel mehr hat sich durch die obigen Überlegungen gezeigt, dass zusätzlich Bedarf für eine Instantiierungsebene des phänomenalen Erlebens besteht, und zwar, weil dies ebenso relational und prozessual ist wie die physischen Entitäten. In Anbetracht der weiter oben aufgezeigten offensichtlichen Wesensverwandtschaft von Physis und Psyche liegt es nahe, für sowohl den mentalen als auch den physischen Aspekt der Wirklichkeit eine gemeinsame Instantiierungsebene zu suchen.

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*Hier habe ich zur Verdeutlichung des Prinzips von sensorischen Täuschungen oder physischen Phänomenen jenseits der unmittelbaren Anschaulichkeit abgesehen, die zur korrekten Interpretation einen höheren mentalen Dekodierungsaufwand der durch die Sinne übermittelten Daten und/oder technische Hilfsmittel erfordern, um die Phänomene unseren Sinnen zugänglich zu machen. Auch Überzeugungen und emotionale Prägungen haben einen Einfluss auf die Weltwahrnehmung, und die sind bei jedem Menschen einzigartig. Dennoch kann man wohl mit Fug und Recht sagen, dass die Wahrnehmung der physischen Merkmale eines Tisches, einer Tasse, einer Straße oder einer Landschaft nicht derart dadurch beeinflusst wird, dass der eine Mensch einen Tisch beispielsweise als rund und der andere Mensch denselben Tisch als eckig wahrnimmt. Je nach individueller Prägung und Gemütslage wird man einen anderen Wahrnehmungs-fokus haben und dementsprechend werden die einen Menschen etwas wahrnehmen, was die anderen Menschen ausblenden und umgekehrt. Aber ich glaube, wir können davon ausgehen, dass bei entsprechender Lenkung der Aufmerksamkeit auf die ausgeblendeten Objekte alle Menschen unabhängig von ihrer Prägung und Gemütslage die physischen Merkmale eines Objekts identisch wahrnehmen, denn wir alle können uns intersubjektiv über beispielsweise Form, Farbe und Gewicht eines Objekts einig werden, selbst wenn wir zunächst unterschiedliche Terminologien benutzen würden. Es mag auch da Extremfälle, also Menschen mit extrem abweichender Wahrnehmung geben. Dennoch denke ich, dass wir uns zumindest im Mittel mit sehr großer Sicherheit auf die Zuverlässigkeit oder viel mehr die prinzipielle intersubjektive Übereinstimmung unserer Sinneswahrnehmungen verlassen können, wenn es um die Wahrnehmung von physischen Objekten geht.

Res extensa: Wissen wir wirklich, was Ausdehnung ist?

Dieser Text schließt an den Beitrag „Absolute Naturen in der Mathematik und Physik: Echte Singularitäten“ an und ist – mit dem Format entsprechenden Abwandlungen – ein Auszug aus meinem Buch „Phänometrie. Ist Bewusstsein mathematisch greifbar?

Es gibt Anlass, das normalerweise implizit und unhinterfragt vorausgesetzte Postulat des kategorischen Unterschieds zwischen Ausgedehntsein und Nichtausgedehntsein zu hinterfragen. Die Urknall-Theorie basiert auf dem Postulat, dass aus etwas Nichtausgedehntem etwas Ausgedehntes entstehen kann. So ist das Universum laut kosmologischem Standardmodell aus einer Singularität entstanden. Wie soll man sich das vorstellen? Wie kann etwas Nichtausgedehntes etwas Ausgedehntes hervorbringen? Wenn man sich vergegenwärtigt, dass genau dies die gegenwärtig bevorzugte, weil empirisch außerordentlich gut belegte Theorie ist, kommt man nicht umher, in Betracht zu ziehen, dass aus „nicht ausgedehnt“ tatsächlich „ausgedehnt“ werden kann – auch für den umgekehrten Fall: aus vormals in Zeit und Raum ausgedehnter Materie wird, wenn Einstein Recht behält, unter entsprechenden Voraussetzungen eine nichtausgedehnte Singularität jenseits von Zeit und Raum im Zentrum eines Schwarzen Lochs. Das Gleiche trifft auf die Quantenfeldtheorien zu: Die Elementarteilchen werden dort als nichtausgedehnt, also punktförmig betrachtet. Auch experimentell konnte ihnen bisher kein von Null verschiedener Durchmesser nachgewiesen werden. Dennoch sind es genau diese „nichtausgedehnten“ Entitäten, aus denen unsere „ausgedehnte“ Wirklichkeit besteht. Für viele Physiker und Physikerinnen ist genau dies der Grund anzunehmen, dass Singularitäten das Anzeichen dafür sind, dass an dieser Stelle die Theorie zusammenbricht, also dass sie das ungültige Ergebnis einer an dieser Stelle nicht mehr anwendbaren Theorie sind.* Doch in Anbetracht dessen, dass all jene oben benannten Theorien in so vielen Aspekten so außerordentlich gut experimentell bestätigt sind, so viele höchst präzise Vorhersagen gemacht haben und es bisher keine vergleichbar explanatorisch starken Alternativen gibt, bin ich geneigt, ein Versagen auch an dieser Stelle nicht anzunehmen. Eher nehme ich an, dass es Gründe gibt, echte Singularitäten als notwendiges und wesentliches Element einer etwaigen Theory of Everything zu betrachten, doch darauf komme ich später zurück. Hier sei erst einmal mit ein wenig Vorschussvertrauen die Übereinstimmung der durch die oben genannten Theorien postulierten Singularitäten mit der Realität angenommen.** Vor diesem Hintergrund beginnt der Begriff des Ausgedehntseins seine vermeintliche Klarheit und seine Abgrenzung zum Nichtausgedehntsein zu verlieren: Was ist Ausgedehntsein, wenn es im Nichtausgedehntsein gegründet ist und auch wieder – siehe Schwarze Löcher – zu einem solchen werden kann? Was ist überhaupt Nichtausgedehntsein? Kann man plausibel von Nichtausgedehntsein sprechen, wenn der Begriff „Dimension“ in einer punktförmigen Singularität schlicht nicht definierbar ist? Von „außen“ betrachtet scheint die Singularität ein Punkt zu sein, also keinerlei Ausdehnung zu haben, aber wir dürfen, wenn wir das Zusammenbrechen logischer Kategorien angesichts der Singularität wirklich ernst nehmen, dennoch nicht davon ausgehen, dass wir sie dadurch eindeutig im Sinne einer definierten Dimensionsangabe charakterisiert haben. Das Prädikat „Nichtausgedehntsein“ wäre definiert insofern, als dass der nichtausgedehnten Entität der klar bestimmbare Zustand des Nichtausgedehntseins zukommt (im Sinne des Prinzips der logischen Zweiwertigkeit). Doch es ist ja gerade die schlechthinnige Undefinierbarkeit der Singularität, die sie als solche auszeichnet. Kann man in letzter Konsequenz also wirklich noch von einem wesensmäßigen Unterschied zwischen den beiden Zuständen sprechen? Oder ergibt es angesichts dessen nicht eher Sinn, diese Zustände als zwei Aspekte oder zwei Modi ein- und derselben Entität anzusehen? Der Wechsel zwischen diesen Zuständen scheint jedenfalls, wenn Einstein Recht hat, ein reguläres Ereignis im Naturgeschehen zu sein.
Folgende Frage kann die Unbestimmtheit des Unterschiedes zwischen Ausgedehntsein und Nichtausgedehntsein weiter verdeutlichen: Ist ein Traum ausgedehnt? Also glauben wir, dass das nächtliche Traumerleben in einem außerhalb des eigenen Bewusstseins existierenden dreidimensionalen Raum stattfindet? Ich glaube nicht. Kann man sich im Traum dennoch im Raum bewegen, also hat man Freiheitsgrade der Bewegung? Ja, die hat man, und das kann vollkommen realistisch erlebt werden, obwohl wir uns meines Erachtens sicher sein können, dass der Traum nicht in diesem unseren „real ausgedehnten“ Raum stattfindet, den wir aus der Wachwelt kennen und den wir als Wirklichkeit bezeichnen, sondern dass seine Ausdehnung zumindest in Bezug auf die intersubjektiv zugängliche Wirklichkeit der Wachwelt „imaginär“ ist. Allerdings trifft die Unterscheidung real und imaginär auch nicht ganz den Kern und ist auch ontologisch nicht mit letzter Sicherheit zu behaupten. So ist der Traumraum ja ebenso real für die Erlebende, zumindest im Moment des Traumes. Möglicherweise ist, bezogen auf den Aspekt der räumlichen Ausdehnung, der einzige Unterschied zwischen Traumraum und Weltraum, dass letzterer kollektiv zugänglich ist, ersterer lediglich für die Träumende selbst. Was angesichts der Stabilität unserer Realität im Gegensatz zur Diffusität und Phantastik unserer Träume zunächst absurd klingt, möchte ich in Kapitel 4.2. meines Buches näher erläutern.

So ein Traum ist ja auch eine Art von phänomenalem Erleben. Dieser Traum ist irgendwie ausgedehnt. Ist also phänomenales Erleben ausgedehnt?

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* Spannend ist auch eine andere sprachliche, aber inhaltlich mehr oder weniger identische Variante dieser Begründung, nämlich dass Singularitäten ein Zeichen für den Zusammenbruch einer Theorie an der betreffenden Stelle seien, da Singularitäten unphysikalisch seien. Besonders spannend an dieser allgemein gebräuchlichen Formulierung ist, dass in ihr besonders deutlich eine implizite Überzeugung hervortritt, die im Normalfall völlig unhinterfragt hingenommen wird, nämlich dass alles, was real ist, physikalischer Natur ist. In dieser Aussage steckt also ganz viel Metaphysik – und zwar physikalistische Metaphysik.

** Damit möchte ich die Arbeit an alternativen singularitätenfreien Erklärungsmodellen wie der Schleifenquantengravitation oder den verschiedenen Stringtheorien keineswegs als aussichtslos abtun. Da sie beide auf der Größenordnung der Planck-Skala ansetzen, also der kleinsten Größenordnung, in der die uns bekannten Gesetze der Physik noch ihre Geltung haben können, halte ich sie für wichtige Grundlagenarbeit zu einer weiteren Erkenntnis der Basiskonfiguration von Materie/Energie. Es mag auch möglich sein, eine völlig singularitätenfreie Theorie der Materie zu finden, welches sich experimentell bestätigen und sich auch erfolgreich in technologische Anwendungen überführen lässt. Damit ist dann aber trotzdem nichts ausgesagt über eine etwaige tatsächliche Existenz oder Nichtexistenz von Singularitäten bzw. ist es dann, wie gesagt, eine Theory of Matter, nicht eine Theory of Everything, da, wie ich später ausführen werde, der zentrale mathematische Begriff für das Ich in ihr fehlt.

Der Erfolg der Mathematik als Hinweis auf die Wesensverwandtschaft von Geist und Materie

Dieser Beitrag schließt an den Beitrag „Kann Mathematik die Wirklichkeit beschreiben?“ an und ist – mit leichtem dem Format geschuldeten Abwandlungen – ein Auszug aus meinem Buch „Phänometrie. Ist Bewusstsein mathematisch greifbar?

Es gibt einen ganz prinzipiellen Punkt, der in meinen Augen alles andere als trivial ist, aber keinerlei Erwähnung bei Goff und meines Wissens nach auch bei keinem anderen Panpsychisten – und ebensowenig bei ihren physikalistischen „Gegnern“ findet, und das ist die Tatsache, dass die Mathematik zumindest in ihrer reinen Form eine pure, apriorische Geisteswissenschaft ist, die der auf Logik, Sinn und Zusammenhänge ausgerichteten Struktur unseres Denk- und Erkenntnisapparats entspringt, ja mit ihrer formelhaften, axiomatischen Sprache dessen strengstes und exaktestes Kondensat ist. Gerade diese effizienteste Form des intentionalen und (teleo)logischen Denkens ist es nun, die uns den größten Erfolg in der Beschreibung und Prognose der physischen Wirklichkeit und daraus resultierend ihrer Beeinflussung zu unseren Gunsten mittels Technologie eingebracht hat. Es ist in meinen Augen genau dies das entscheidende Argument dafür, eine Wesensverwandtschaft zwischen dem Mentalen und dem Physikalischen anzunehmen. Gerade die Mathematik, der häufig vorgeworfen wird, sie abstrahiere mit ihrer Objektivität vom Subjekt und vertiefe damit die Spaltung zwischen Objekt und Subjekt (hier ist, um eine in der Debatte übliche Formulierung einer vermeintlichen Dichotomie beizubehalten, „Subjekt“ im Sinne der üblichen Wortbedeutung als Träger bzw. Ursprung der Ichhaftigkeit gemeint), ist der Ausdruck des logischen Denkens schlechthin und als solche gehört sie jenem Teil der Wirklichkeit an, den wir mit dem Subjekt assoziieren.
Die Tatsache, dass es uns gelingt, mithilfe einer Sprache, die die strengst mögliche Formalisierung des logischen Denkens und damit unserer mentalen Architektur darstellt, die objektive Wirklichkeit derartig präzise zu beschreiben und tiefgreifend zu gestalten, ist das überzeugendste Argument dafür, dass es keine kategorische Trennung zwischen materiellen und mentalen Entitäten geben kann. Dies ist jedoch weder im physikalistischen Sinne gemeint, dass die mentalen Entitäten illusionär und damit auch die für gewöhnlich dem Mentalen zugeordneten Kategorien wie Sinn und Logik illusionär seien, noch im Sinne eines Anti-Realismus. Es besagt viel mehr, dass objektive und subjektive Wirklichkeit offenbar nach denselben Kategorien strukturiert und miteinander verwandt sind, also einen tatsächlichen und sinnvollen Bezug zueinander haben. Es ist mithin gerade die Ratio und als dessen strengste Formulierung die Mathematik, die so häufig von Physikalisten im Zusammenhang mit der Verteidigung ihres Weltbildes bemüht wird, die das stärkste Argument gegen den Physikalismus ist. Es ist auch nicht sinnvoll denkbar (und alleine diese Formulierung hebt wieder den unhinterschreitbaren Fokus auf Logik und Sinn in unserer Theoriebildung und Argumentation hervor), dass in diesem Universum ein Wesen entstanden sein soll, welches über Eigenschaften verfügt, die das Universum selbst nicht zumindest potentiell aufweist. Wie soll denn die Logikfähigkeit in den menschlichen Geist hineingekommen sein, wenn der Kosmos die Voraussetzungen dafür gar nicht liefert?

Entweder muss dies mit radikaler Emergenz begründet werden, was gleichbedeutend damit ist, zu behaupten, dass sie aus dem Nichts aufgetaucht seien und in keinerlei logisch zwingendem Zusammenhang mit dem Rest der Wirklichkeit stünden – ihm aber zumindest nicht widersprechen. Dieser Nachsatz wiederum besagt aber nichts anderes als dass das Universum vor Auftauchen von Logikfähigkeit in einigen Lebewesen nicht in einem zu diesen Phänomenen widersprüchlichen Zustand gewesen sein kann, also nicht unlogisch gewesen sein kann – was auf dasselbe hinausläuft wie zu sagen: Das Universum ist logisch und deswegen können auch die Wesen, die in ihm wohnen, logisch denken. Damit ist die Emergenz der Logik wieder verschwunden. Eine völlig radikale Emergenz anzunehmen und den Nachsatz „ihm zumindest aber nicht widersprechen“ wegzulassen, also auch zuzulassen, dass Eigenschaften im Universum auftauchen können, die seinen vorherigen Eigenschaften widersprechen, wäre natürlich völlig irrational und müsste konsequenterweise nach sich ziehen, auch das Postulat der kausalen Geschlossenheit der Welt loszulassen, denn so eine kausale Geschlossenheit ist eine logisch kohärente Geschichte. Die Naturgesetze sind Logik pur.

Die emergentistische Sicht auf Logik verstrickt sich also in Selbstwidersprüchen. Das Gleiche gilt für die typische reduktionistisch-physikalistische Annahme, dass Bewusstsein – und damit auch Logik – eine Illusion ist. Wenn Bewusstsein eine Illusion ist, können auch unsere bewusstseinsmäßigen Fähigkeiten wie logisches Denken nicht mehr als eine Illusion sein. Man müsste bei der emergentistischen wie der reduktionistisch-physikalistischen Annahme konsequenterweise auf rationale, also logische Argumentation insgesamt und damit auch auf Mathematik verzichten, hat man sie doch zusammen mit dem Bewusstsein überhaupt als illusionär erkannt. (Hier könnte man mit dem erkenntnistheoretischen Konstruktivismus einwenden, dass sich die mentale Architektur des Menschen in einem evolutionären Selektionsprozess hin zu seiner für das Zurechtfinden in der Welt nützlichsten Form entwickelt hat und dementsprechend Bewusstseinsleistungen auch sinnvoll auf die Welt angewendet werden können. Doch kann er aufgrund seiner inneren Widersprüchlichkeit und seinem ganz und gar nicht konstruktivistischen physikalistischen Fundament zumindest in seiner starken Form nicht als plausible erkenntnistheoretische Position aufgefasst werden.) Damit müsste aber dann auch jegliche Bemühung um wissenschaftliche Theoriebildung ad acta gelegt werden, hat doch das Mentale keine Aussagekraft über die Wirklichkeit außerhalb unserer Köpfe. Und die Mathematik dürfte schon gar nicht als Sprache der fundamentalen Wirklichkeit angeführt werden. Alleine diese Kette von Schlüssen wäre aber wieder basierend auf logischer Folgerichtigkeit und damit auf formaler Ebene ein Widerspruch ihrer Inhalte.

Ironischerweise ist auch schon das Postulat des illusionären Charakters des Mentalen eine contradictio in adiecto, da man dies – zumindest dem Ansinnen nach -mittels auf rationalen Argumenten basierender Interpretation empirisch gewonnener Erkenntnisse (welchen, bevor sie durch Experimente gewonnen werden, meist ebenso ein mentaler Prozess logischer Überlegungen vorausgeht) postuliert. Es wird dadurch klar, dass wir, um sämtliche wissenschaftliche Bestrebungen nicht ad absurdum zu führen, dem Mentalen und Rationalen a) eine gewisse Realität und b) einen erkennbaren Bezug zur Wirklichkeit zugestehen müssen – wozu ja, wie oben bereits erläutert, starke Gründe vorliegen. Und es ist ebenjene Irrationalität in er Annahme, dass das Mentale mit seinen Kategorien aus dem Nichts aufgetaucht sei bzw. gar nicht wirklich existiert (weil man das Mentale dazu benutzt, um ebenjene Aussage mit Wahrheitsanspruch zu tätigen), die uns dazu zwingt, den Physikalismus sowohl in seinen nichtreduktiven als auch in seinen reduktiven Varianten als widersprüchlich und unplausibel zu identifizieren. Daher komme ich nun zum oben noch schuldig gebliebenen Oder:

Oder man schließt darauf, dass die Eigenschaft der Logik auch dem Kosmos zukommen müssen. Und dann wiederum liegt der Schluss nicht fern, dass, genau wie die objektive Wirklichkeit auch, phänomenales Erleben durch Mathematik beschrieben werden kann. Aber das ist gar nicht so schlimm, wie es sich anhört. Denn uns würde das Ganze gar nicht wirklich berühren. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen, warum. Zunächst möchte ich die Beweislast zugunsten meiner These erhärten.

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